Ulrike

"Bickli!"

Der große Bruder aus Mexiko

Das Leben als Gastfamilie mit einem Gastkind aus Mexiko.
YFU Austria:

Seit einigen Monaten wohnt Jorge aus Mexiko bei euch. Warum habt ihr euch entschieden ein Gastkind aufzunehmen?

Ulrike:

Eigentlich haben wir uns ganz spontan dazu entschieden, da wir Jorge zufällig auf einem Fest kennen gelernt haben. Er suchte eine Gastfamilie, weil er nur bei einer Ankunftsfamilie untergekommen war. Wir waren sofort von ihm begeistert und da unsere älteste Tochter dieses Jahr auch ein Austauschjahr in Amerika macht, dachten wir, es wäre eine gute Idee, die Erfahrung mit einem Gastkind auch selbst zu machen.

Jorge mit Marlene und Linda auf der Elisabethwarte
YFU Austria:

Was hattet ihr für Vorstellungen von eurem neuen Familienmitglied? Was hat sich bewahrheitet, was war anders?

Ulrike:

Wie gesagt, wir hatten Jorge schon eine bisschen kennen gelernt und waren uns sicher, dass er gut in unsere Familie passen würde. Natürlich war ich nicht sicher, ob es funktionieren würde - einen 16 jährigen Jungen zu zwei pupertierenden Mädchen!!! Ich habe damit gerechnet, dass es Reibereien, oder Streit geben wird oder auch den einen oder anderen Machtkampf. Aber was soll ich sagen - nichts von alledem ist eingetreten! Ganz im Gegenteil! Seit Jorge bei uns ist, streiten auch unsere beiden Mädchen nicht mehr. Er ist ein Ruhepol zwischen den beiden und sie haben ihn vollkommen als ihren Beschützer und "großen" Bruder akzeptiert. [obwohl er eigentlich jünger ist als Marlene, die älteste :-)]

YFU Austria:

Welche Gedanken gingen euch durch den Kopf, als ihr eurer Gastkind das erste Mal gesehen habt?

Ulrike:

Also ich habe mir gedacht: Hoffentlich komm ich mit einem Jungen klar - da ich bis jetzt nur Mädchen hatte, aber er machte einen so gutmütigen Eindruck, dass ich ganz zuversichtlich war.
Mein Lebensgefährte dachte: Endlich Verstärkung in diesem Frauenhaushalt! :-)
Marlene, die älteste dachte: Juhu, jetzt kann ich mit jemandem englisch sprechen!!
Linda, die jüngere dachte: Ich rede sicher nicht englisch mit ihm!

YFU Austria:

Wie habt ihr die erste Woche verbracht?

Ulrike:

Am Anfang sind wir viel zusammen gesessen, und haben uns unterhalten und Fotos angesehen. Wir haben Jorge auch ein bisschen die nähere Umgebung gezeigt, aber da er ja erst im Oktober zu uns gekommen ist, war sofort Schule und der Alltag hat sich sehr rasch eingestellt. Da war dann eigentlich nur an den Wochenenden mehr Zeit für Aktivitäten.

YFU Austria:

Wie sind die Rollen in der Familie verteilt? Welchen Platz nimmt euer Gastkind ein?

Ulrike:

Jorge ist ganz klar der große Bruder. Er ist der Beschützer der Mädchen und sogar auch ein bisschen Erzieher. Er ist von zu Hause sehr streng und gut erzogen und schimpft sogar öfter mit den Mädels, wenn sie zu viel mit dem Handy spielen - was sie sich auch von ihm gefallen lassen!

YFU Austria:

Was macht eure Familie typischerweise gemeinsam? Wie hat die Aufnahme eines Austauschschülers das verändert?

Ulrike:

Da die Mädels immer ziemlich lange Schule haben, und danach meistens noch viel Hausübungen erledigen müssen, oder lernen, bleibt uns eigentlich immer nur das Wochenende. Das gemeinsame Mittagessen am Sonntag oder ein Spiele- oder Fernsehabend, wenn das Wetter gut ist, machen wir auch mal einen Ausflug. Verwandte und Freunde besuchen - Jorge ist immer dabei und ist überall der Star. Eigentlich hat sich nicht viel verändert, außer dass wir vielleicht noch mehr Spass haben als früher!

YFU Austria:

Wann hat sich der Alltag mit eurem Gastkind eingestellt? Woran habt ihr das gemerkt?

Ulrike:

Der Alltag kam recht schnell, da bereits Schule war als Jorge zu uns kam und daher auch nicht viel Zeit blieb für andere Dinge. Aber unser Jorge ist so unkompliziert und genügsam, dass es mit ihm nie Probleme gab. Innerhalb weniger Tage war es so, als wäre er schon immer ein Mitglied unserer Familie gewesen.
Natürlich war er anfangs noch etwas schüchtern, und es gab auch einige Verständigungsschwierigkeiten, weil er fast kein Wort Deutsch konnte und mein Englisch war auch schon etwas eingerostet, aber das war meistens eher lustig als problematisch.

YFU Austria:

Erzählt eine Anekdote aus dem Alltag mit eurem Gastschüler!

Ulrike:

Jorge sagte am Anfang immer ein Wort, das keiner verstanden hat. " bickli" Er versicherte uns, dass dies ein deutsches Wort ist und bei uns ständig verwendet würde. Nach einiger Zeit sind wir drauf gekommen dass dieses Wort "wirklich" heißt und uns wurde bewusst, dass wir "wirklich" sehr oft "wirklich" sagen! Seither sagen alle bei uns nur mehr "bickli" weil uns das so gut gefallen hat, nur Jorge sagt mittlerweile "wirklich" und sieht uns jedesmal missbilligend an, wenn wir sein "bickli" verwenden.